Am 25.03.2009 fand in der Mannheimer Neckarstadt eine Verlegerunde der sogenannten Stolpersteine statt. Der Kuenstler Gunter Demnig erinnert mit den Stolpersteinen an die Opfer des Nationalsozialismus, indem er vor deren letztem selbstgewaehltem Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt.
An diesem Tag wurde auch dem Mannheimer Antifaschisten Friedrich Dürr ein Stolperstein in der Lange Rötterstraße 22 gelegt. Das Jugendzentrum in Selbstverwaltung würdigt seinen Namensträger mit der Patenschaft für diesen Stolperstein.

Gunter Demnig mit dem zu verlegenden Stolperstein
- Verlesen des Redebeitrags des JUZ während der Verlegung

Steigen lassen der Luftballons mit Flugzetteln über Friedrich Dürr

Der frisch verlegte Stolperstein
Bei der Verlegung des Stolpersteins für Friedrich Dürr am 25.03.2009 wurde durch Juz-Aktive ein Redebeitrag verlesen. Dieser Redebeitrag ist hier dokumentiert:
Friedrich Dürr
Friedrich Dürr wurde am 1.2.1904 geboren und ist in den Mannheimer Quadraten aufgewachsen. Seine 3 älteren Brüder starben alle während des ersten Weltkrieges. Mit 15 Jahren verließ er, wie damals unter Arbeiterkindern üblich, die Volksschule und begann eine Maschinenschlosserlehre beim Benz. Trotz „guter Führung“ wurde er 1924 aus der Firma entlassen, vermutlich auf Grund seiner politischen Agitation. Mit seiner gewerkschaftlichen und parteilichen Arbeit versuchte er sein Ideal der klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft zu erkämpfen. Auch nach dem 1. KPD-Verbot 1923 führte Friedrich Dürr diese Arbeit in der Illegalität fort und widmete sich in den kommenden 11 Jahren Arbeitslosigkeit bis zu seiner Verhaftung intensiv dem politischen Kampf.
1930 heiratete er Anna Göckel und zog mit ihr in eine vom Schwiegervater bereitgestellte Wohnung, in der Lange-Rötter-Str. 22, in der er bis zu seiner Verhaftung wohnen bleiben sollte. Vor diesem Haus stehen wir gerade.
Schon vor der Machtübernahme 33 setzte Friedrich Dürr sich in einem antifaschistischen Ausschuss im Stadtteil Neckarstadt für eine Einheitsfront gegen den Faschismus ein, um die Machtergreifung der Nationalsozialisten durch ein breites linkes Bündnis zu verhindern. Schon hier zeigte sich, wie entschlossen er gegen den sich formierenden Faschismus zur Wehr setzte.
1933 wurde die KPD erneut verboten und im Frühjahr 1934 startete die Gestapo in Baden-Pfalz eine regelrechte Jagd auf politische Gegner des Regimes. Dabei wurden zahlreiche sich im Untergrund organisierende KPDler verhaftet, gefoltert und ins Zuchthaus gesteckt, von wo sie später in verschiedene Konzentrationslager deportiert werden sollten.
Dieser ersten großen Welle der Repression in der Region hatte Friedrich Dürr noch entgehen können. Nach dieser Schwächung der Partei übernahm er dann den Posten des Bezirkskassierers. Diese Tätigkeit und eine weitere spektakuläre Aktion in der Silvesternacht 35 wurden ihm später zum Verhängnis. Mit zwei weiteren Genossen feierte Friedrich Dürr das neue Jahr auf ganz besondere Weise. Aus platzenden Ballons flatterten Flugblätter auf die mannheimer Straßen, auf denen zum Kampf gegen den Nationalsozialismus aufgerufen wurde: „Mit Jammern und Klagen wird nichts bestellt, mit Hammer und Sichel gewinnst du die Welt.“ Hieß es da, und „1935! Schmiedet die Einheitsfront gegen Hitler!“ wurde gefordert.
Nicht einmal 2 Wochen später, am 11.Januar 1935, wurde Friedrich Dürr verhaftet und vom Oberlandesgericht zu 3 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Doch er kehrte anschließend nicht mehr nach Mannheim zurück sondern wurde wegen seines Nichtzusammenarbeitens mit dem Justizapparat ins KZ Dachau überführt, da er eine Aussage über die KPD-Strukturen verweigerte.
Selbst im Konzentrationslager wurde sein Widerstandswille nicht gebrochen. Er musste Zwangsarbeit in der Waffenwerkstatt der SS leisten, suchte aber von Anfang an dies zu nutzen, indem er über Pläne zu einer bewaffneten Erhebung gegen die SS im Konzentrationslager Dachau nachdachte.
Im Frühjahr 1945 verbreitete sich unter den Häftlingen die heißersehnte Nachricht der sich schnell nähernden amerikanischen Truppen. Die SS reagierte auf diese Information, indem sie einen Todesmarsch der 30000 Häftlinge plante, um die Übernahme und Befreiung des Lagers durch feindliche Streitkräfte zu verhindern. Gegen Mittag des 27. April 1945 sollte sich der Gefangenentross in Bewegung setzen. Um die Befreiung des Lagers durch die Amerikaner zu beschleunigen und einen weitern Massenmord der Nazis zu verhindern, formierte sich in höchster Eile Widerstand im Lager.
2 Gruppen, zu denen jeweils 15 Gefangene zählten, wagten den Ausbruch aus dem Lager mit Hilfe des „Moorexpress“, der normalerweise Abfälle aus dem Lager transportierte. Die eine Gruppe war dazu bestimmt, zu den amerikanischen Truppen vorzudringen und sie über die Situation des Lagers zu informieren. Die andere, zu der auch Friedrich Dürr zählte, sollte in der Stadt Dachau einen Aufstand anzetteln und die SS zum Kampf zwingen.
In der Stadt waren zuvor von den Einwohnern Waffen versteckt worden, die die Gruppe jetzt an sich nahm. Auch der Volkssturm Dachaus schloss sich den Häftlingen an.
Es kam zum Kampf, wobei Friedrich Dürr und ein weiterer Mannheimer Genosse, Leo Heiß, der SS in die Hände fielen. Dürr wurde am 28.April vor dem Dachauer Rathaus erschossen, 24 Stunden bevor die Aliierten in Dachau ankamen.
Mit ihrer Tat haben die Widerstandskämpfer den Mitgefangenen womöglich das Leben gerettet. Denn in den Nachkriegsjahren wurde ein Geheimbefehl Himmlers an die Lagerleitung des KZ Dachau bekannt, nach dem kein Häftling „lebendig in die Hände des Feindes fallen“ dürfe.
Bis heute gibt es keine angemessene Gedenkstätte für Friedrich Dürr hier in Mannheim. Lediglich das Jugendzentrum in Selbstverwaltung erinnert mit seinem selbstgewählten Namen an den Genossen und Widerstandskämpfer. Mit diesem Stolperstein wird eine weitere Stelle in Mannheim zum Ort des Erinnerns und Gedenkens an die Opfer des Faschismus.