Pressemitteilung der Vollversammlung des JUZ Friedrich Dürr vom 23.01.2017
Stellungnahme zur kleinen Anfrage der CDU zum Thema „Politisch motivierte Kriminalität und extremistische Bestrebungen im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim“
Der Weinheimer Landtagsabgeordnete Georg Wacker (CDU) stellte im Oktober vergangenen Jahres eine kleine Anfrage zum Thema „Politisch motivierte Kriminalität und extremistische Bestrebungen im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim“ an das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg. In der Antwort des Ministeriums vom 15.11.2016 wird unter Zuhilfenahme von Informationen des Landesamtes für Verfassungsschutz mehrfach unser Jugendzentrum in Selbstverwaltung als Ort für „linksextremistische Ereignisse“ genannt und somit – durch die Thematik der Anfrage – in die Nähe von Kriminalität und „extremistischen Bestrebungen“ gerückt. Kritiklos übernahm daraufhin das Onlineportal des Mannheimer Morgen am 28.11.2016 die Antwort des Innenministeriums. In einem ausführlichen Artikel wird die Vollversammlung des Jugendzentrums neben NPD-Veranstaltungen unter „extremistischen Umtrieben in der Region“ angeführt.
Das JUZ in der Antwort des Innenministeriums
Als „regelmäßige linksextremistische Ereignisse“ werden das Offene Antifaschistische Treffen (OAT), das Freiraum-Café und die Vollversammlung unseres Jugendzentrums aufgeführt. Außerdem berichtet das Innenministerium respektive der Verfassungsschutz von einer gemeinsamen Filmvorführung der Antifaschistischen Aktion (Aufbau) und des OAT, der Jubiläumsfeier des AK Antifa, der Feier anlässlich des Tags der Befreiung am 8. Mai und von einem Vorbereitungstreffen „verschiedener linksextremistischer Gruppierungen“ zur 1. Mai-Demonstration. Die genannten Veranstaltungen fanden im JUZ statt und dienen als Antwort auf die Frage nach Veranstaltungen von „extremistischen Gruppierungen“.
Jugendzentrum in Selbstverwaltung „Friedrich Dürr“
Das JUZ ist ein Ort, an dem Menschen jenseits kapitalistischer Verwertungslogik ihr Leben selbst gestalten können. Es bietet die Möglichkeit sich ohne Konsumzwang zu treffen, auszutauschen und zu organisieren. Durch das Engagement vieler junger Menschen finden im JUZ regelmäßig politische Veranstaltungen und unkommerzielle Partys und Konzerte statt. Als Mitglied des Stadtjugendrings ist das JUZ mit anderen Jugendorganisationen in Mannheim gut vernetzt. Durch kostenlose Sprachkurse hilft das JUZ bei der Integration junger Geflüchteter und bietet diesen ein offenes und hilfsbereites Umfeld. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten in der Stadt hat das JUZ den Anspruch ein diskriminierungsfreier Raum zu sein – ohne Rassimus, Antisemitismus, Nationalismus, Sexismus und Homophobie!
Dieser Anspruch wird auch mit der Namensgebung des JUZ deutlich: Friedrich Dürr war als Widerstandskämpfer in Mannheim und im KZ Dachau gegen den Faschismus aktiv. Im Dachauer Aufstand wurde er kurz vor der Befreiung durch die Allierten von den Nazis erschossen. Der Name „Friedrich Dürr“ soll daran erinnern, dass konsequenter und unbeugsamer Antifaschismus trotz erbarmungsloser Unterdrückung und Repression durch die Nationalsozialisten existierte und dass dieser nach wie vor notwendig ist.
Standpunkt des JUZ zur Antwort des Innenministeriums
Aktiven Antifaschismus und den Kampf für eine solidarische Gesellschaft sehen wir aus historischer Verantwortung und unserem politischem Selbstverständnis als notwendig und legitim an. Wir wehren uns jedoch dagegen, dass unser Jugendzentrum oder Veranstaltungen im JUZ durch das Innenministerium und den Verfassungsschutz mit „politisch motivierter Kriminalität“ in Verbindung gebracht werden.
Die Extremismustheorie, aufgrund derer das JUZ als Ort für „linksextremistische“ Ereignisse genannt wird, lehnen wir entschieden ab. Die Mitglieder der Gesellschaft werden bei dieser Theorie in einer Art Hufeisen angeordnet: In der Annahme einer demokratischen Mitte, welche sich gemäß der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) verhält, existieren demnach „Extreme“, die die bestehende Gesellschaftsordnung verändern wollen. Beide „Extreme“ – rechts und links – werden unabhängig ihrer Motive und Ziele gleichgesetzt und als Gefahr für die FDGO angesehen. Völlig ausgeblendet wird hierbei, dass menschenverachtende Einstellungen auch in der „Mitte“ der Gesellschaft weit verbreitet sind. Auch der Nationalsozialismus wurde in Deutschland von einer breiten Mehrheit, der „Mitte“, stillschweigend toleriert und unterstützt.
JUZ – extrem demokratisch!
Wir als Aktive im JUZ setzen uns für die Gleichberechtigung und -behandlung aller Menschen ein – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Deshalb empfinden wir es als blanken Hohn vom Innenministerium und dem Verfassungsschutz auf Grundlage der Extremismustheorie mit rechten Menschenfeinden gleichgesetzt zu werden. So werden beispielsweise unsere basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen (Vollversammlung) und unser vielfältiges ehrenamtliches soziales Engagement mit autoritären Denk- und Verhaltensmustern sowie rassistischen Gewalttaten von Rechten auf eine Stufe gestellt. Die Institution „Verfassungsschutz“ lehnen wir aufgrund seiner Verstrickung in rechte Aktivitäten (wie zum Beispiel der Unterstützung des NSU) und der massiven Überwachung linker Strukturen ab. Die Zielsetzung der Arbeit des Verfassungsschutzes wird auch in der Antwort auf die kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten aus Weinheim deutlich: Linke Aktivitäten nehmen sechs Seiten in Anspruch, während die Beobachtungen des Verfassungsschutzes zu rechten Aktivitäten auf eine Seite passen…
Link zur Homepage des JUZ „Friedrich Dürr“:
Link zur Anfrage und der Antwort des Innenministeriums:
www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/0000/16_0843_D.pdf
Link zum Mannheimer Morgen Artikel: